Impulse für den Glauben - achter Teil - IX
Wir werfen einen Blick ins Leben von Niklaus von der Flüe. In der Kategorie der „Heiligen“ hat er für die Schweiz die wichtigste Bedeutung. Er steht als Symbol für Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung. Ein Thema, das die ganze Welt umtreibt. Und auch in unserem Leben und in unseren Beziehungen nichts an Aktualität verloren hat.
Unter anderem wird folgende Literatur bei der Erarbeitung der „Impulse für den Glauben“ beigezogen:
- Die Sehnsucht nach dem «einig Wesen», Roland Gröbli, Rex-Verlag, Luzern
- Mystiker, Mittler, Mensch: 600 Jahre Niklaus von Flüe 1417-1487, Theologischer Verlag Zürich
Die innere Biografie von Niklaus von Flüe (7)
Die innere Biografie beleuchtet die Wahrnehmung, Bewertung und Einordnung der verschiedenen Lebensereignisse- und Erlebnisse.
Gemäss zuverlässigen Quellen besuchte im Jahr 1479 ein unbekannter «gelehrter Doktor» Bruder Klaus von Flüe und stellte ihm mindestens 7 Fragen.
Frage 4
Wodurch sind wir mit Gott am sanftesten (wohlgefälligsten) verbunden?
- Indem wir die Gesetze Gottes halten.
Gesetze werden von vielen Menschen als eher einengend empfunden. Es muss ja nicht so extrem gehandhabt werden wie im orthodoxen Judentum: Neben den Zehn Geboten enthält die „Torah“ weitere 634 Gebote und Verbote, die als verbindlich gelten. Wer da den Durchblick behalten will, muss enorme Anstrengungen unternehmen. Es ist klar: Gesetze geben uns vor, was zu tun und zu lassen ist, wie die Strassenverkehrsregeln. Gesellschaftlich gesehen geht es darum, Ordnung zu bewahren und den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten. Wenn jede und jeder völlig frei entscheiden könnte, was gelten soll, würde das Chaos ausbrechen.
Jesus geht einen anderen Weg. Für ihn ist die „Torah“ nicht das sture Gesetz, welches keine Ausnahmen zulässt. Es ist für ihn eher eine „Weisung“, An-Weisung für ein glückliches, erfülltes Leben im Einklang mit Gott und den Mitmenschen. Für Jesus ist klar: „Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfchen vom Gesetz (Mt 5, 18).“ Jesus kann das Gesetz brechen, wenn es dem Leben eines Menschen im Weg steht. Gerade das Sabbatgebot – für Juden ein ganz zentrales Merkmal ihrer Identität – hat er nach dem Zeugnis der Evangelien mehrfach gebrochen oder anders ausgelegt: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen" (Mk 2,28). Und: „Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten‘“ (Mk 3, 4). Es geht Jesus nicht um eine buchstabengetreue Befolgung bestimmter Vorschriften. Er möchte, dass die Menschen nach dem Sinn des Gesetzes leben. Dieser Sinn (der Gesetze) ist zusammengefasst im Doppel- bzw. Dreifachgebot der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“ und „Du sollst deinen Menschen lieben wie dich selbst“ (Mt 22, 37-39).
Wer das Gesetz als Weg zum Heil, zur Gemeinschaft mit Gott betrachtet, der muss diesen Weg total gehen, er darf sich keinen einzigen noch so kleinen Fehler erlauben. Dazu ist der Mensch nicht in der Lage. Wer kann von sich behaupten, keine Fehler zu machen? In der Reformationszeit ist vor allem dieser Gedanke wichtig geworden. Für den Reformator Martin Luther bekam das Gesetz einen völlig neuen Stellenwert:
- Das Gesetz ist prinzipiell unerfüllbar.
- Es zeigt dem Menschen seine Unfähigkeit, aus eigener Kraft vor Gott gerecht zu werden.
- So bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als sich auf die Gnade Gottes zu verlassen, die in seinem Sohn Jesus Christ sichtbar geworden ist.
- Das Gesetz wird so zu einem Spiegel, in dem der Mensch sich erkennt, es überführt ihn seiner eigenen Unfähigkeit und führt ihn zu Christus.
In diesem Sinn hat wohl auch Niklaus von Flüe das «Gesetz» verstanden, nicht als Voraussetzung hin zu Gott, sondern als Hilfestellung zur Orientierung im eigenen Leben, in Bezug auf Gott und im Zusammenleben mit anderen Menschen.
Fragen zum Nachdenken:
- Welches Verständnis vom „göttlichen Gesetz“ habe ich?
- Führt mich mein Verständnis vom „göttlichen Gesetz“ näher zu Gott oder weiter weg von ihm?
- Wären die 10 Gebote (Gesetze) aus dem Alten Testament für das im 21. Jahrhundert ausreichend, um den Frieden und die Ordnung in dieser Welt beständig halten zu können?
Wir sind gerne bereit für Seelsorgegespräche. Melden Sie sich bei Pfarrer Alexander Lücke
oder Sozialdiakon Markus Zogg.