Episoden aus dem Leben #20

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Ein Schreibprojekt unserer Gemeindemitglieder
Autor L.G. - Zurück in Kamerun, eine neue Herausforderung und Schicksalsschläge

Im März 1961 durften wir für ein halbes Jahr in die Schweiz reisen. Es tat gut, Familie und Freunde wieder zu sehen. Dann kam die Mitteilung, dass wir nach unserer Rückkehr im Oktober die Missionsarbeit in Mora-Godigong, im Norden Kameruns aufbauen sollen. Grössere Gegensätze gab es kaum: Auf der einen Seite die Podokos, ein Volk, das unter der Führung der verschiedenen traditionellen Führer steht. Auf der anderen Seite die muslimische Bevölkerung in der Stadt. Bei unserer Rückkehr nach Afrika nahmen wir die neue Herausforderung hoffnungsvoll an. Wir hatten einen sehr guten Kontakt mit dem Sultan. Oft kam er auf Besuch, mit seinen Kindern. Es sollen 70 sein. Er habe eine eigene Schule und eigene Lehrer. Jedes Mal, wenn er kam, machte der Gärtner die Gartentüre zu, um seine Tomaten zu schützen. Es war üblich, dass der Sultan sich einfach bedienen durfte, wozu er Lust hatte. Der Versuch, die Mandara-Sprache zu lernen, ist uns leider nicht gelungen. Die Mandara-Sprache war die Handelssprache. Unsere Familie hat sich wieder schnell an Afrika gewöhnt. Myrtha ist unser „Plappermaul“, flink und aufgeweckt. Sie zieht die Sandalen schon selber an. Lukas hat ein erstaunlich gutes Gedächtnis und kann biblische Geschichten gut nacherzählen.
Einer der grossen Gefahren im Missionsdienst ist es, Leute durch Geschenke zu gewinnen. Es ist schwierig, weil man die Armut sieht und helfen möchte. Was ist nun zu tun? Wir möchten auch nicht vernachlässigen, die gute Nachricht des Evangeliums zu den Leuten zu bringen. Dann waren noch die gesundheitlichen Probleme in unserer Familie: Keuchhusten, Asthma, Bauchkrämpfe… Was macht man als Missionar, wenn die eigenen Kinder krank sind und in der Nähe kein Arzt da ist? Jemand meinte, dass man mit kleinen Kindern in diesem Klima nicht für längere Zeit bleiben sollte. Die gesundheitlichen Probleme unseres Sohnes machten uns Sorgen. Die Verdauung bereitete ihm Probleme. Er hatte Bauchkrämpfe. Dann ging es plötzlich schnell. In einer Nacht verschlechterte sich sein Gesundheitszustand und am nächsten Morgen verstarb er. Wir konnten es nicht verstehen. Unser Sohn war mit seiner Fröhlichkeit ein Türöffner zur einheimischen Bevölkerung. Seine besonderen Freunde waren unser Hund und der kleine Affe. Bei der Abdankung liefen sie um den Sarg und heulten und trauerten wie die Kinder.
Ein Jahr zuvor, 1963 verstarb die Grossmutter und mein Bruder feierte Hochzeit. Wir erlebten eine emotionale Achterbahn. Mit unseren anderen beiden Kindern war plötzlich auch der Tod ein Gesprächsthema. Eine Frage war: „Müssen wir im Himmel dann auch Siesta (Mittagsschlaf) machen?“ Es gab nicht nur Krankheiten, sondern auch Diebe, die wussten, dass bei den Ausländern etwas zu holen war. Während einer Konferenz war ein Einbrecher in unserem Haus. Er hatte viel Zeit auszusuchen, was er für sich brauchte. Wir merkten, was uns plötzlich alles fehlte. Für uns war wichtig, dass materielle Dinge keine allzu hohe Priorität in unserem Leben haben sollten. Wie in vielen Kulturen wurde auch im Norden Kameruns die Vielehe gepflegt. Wir hatten in der Poliklinik einen Mitarbeiter, der sich da einfach eine zweite Frau „schnappte“. Unser Reglement besagte, dass dies nicht gestattet war. So mussten wir diesen Mitarbeiter entlassen. Nach einem Jahr kam er zurück und bereute seine Tat. Er sagte: „Ich halte es in dieser Schuld nicht länger aus.“ Gott habe in der Nacht zu ihm gesprochen. Er solle alles in Ordnung bringen. Das tat er auch und konvertierte letztlich zum christlichen Glauben. So wie Gott gnädig ist, müssen auch wir Menschen gnädig miteinander sein. Ein anderer Muslim meinte: „Für uns ist der Zorn eine grössere Sünde als die Lüge. Hätte ich dich angelogen, wärst du zornig geworden und hättest vor Gott eine grosse Sünde begangen.“ Wir mussten uns in die neue Kultur einleben. Eine Frage an die Einheimischen war, wozu man den Kopf (das Haupt) brauchen würde? Die Antwort war, um Lasten zu tragen. Logisch in einem Land, wo alles auf dem Kopf getragen wird.
Wir waren froh, dass unser nächster Heimaturlaub bevorstand und wir das Erlebte an einem anderen Ort auf dieser Welt, in der Schweiz, verarbeiten konnten.

Episode 20 - L.G. Zurück in Kamerun, eine neue Herausforderung und Schicksalsschläge

Bereitgestellt: 26.05.2022    
 
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