Autor L.G. - Die Kriegsjahre, meine Schulzeit und der Bezug zur Kirche
Für mich war die Schule eine schöne Zeit. Wie konnte uns der Lehrer die Geschichte, Geographie und den Gesang lieb machen. Anlässlich der ersten Gesangstunde zeigte er uns einen grossen Holzkeil. Er wollte uns abschrecken, denn wir sollten unseren Mund beim Singen auftun, sonst werde er uns den Keil in den Mund stossen.
Im Jahr 1943 kam meine Schwester zur Welt. Sie hatte einen starken Willen, das war klar. Was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, wurde auch durchgeführt.
Wir waren mitten in einem kriegsgeschüttelten Europa. Alle Männer waren im Militärdienst. Langweilig war es uns aber nie, obwohl noch kein Tonbandgerät oder TV da war. Wir konnten die Übungen vom Militär auf den Wiesen beobachten. Vater hatte in unserem Haus Platz gemacht für die Soldatenstube, eine Schuhmacherwerkstatt und ein Gefängnis. Da war immer was los. Nie vergass ich, wie oft die Soldatenmütter uns es „Zwänzgerstückli“ zusteckten. Zu dieser Zeit gab es Lebensmittelmarken. Alles war rationiert. Man kann sich das heute kaum vorstellen. Einmal gab es bei unserem Azmooser-Oma Meringues. Da mussten wir die Fenster schliessen, damit niemand was sah und hörte. Rahm und Butter waren besonders knapp. Wir auf dem Land hatten es noch gut, aber die Leute in den Städten mussten manchmal knapp durch. Es gab dort einen regelrechten Lebensmittelmarkentausch. Damals gab es nicht viel Programm für Kinder und Teenies. Wir hatten unseren „Hoffnungsbund“ vom Blauen Kreuz. Jede Woche kamen wir junge Mädchen zusammen zum Stricken und Vorlesen. Was mich beeindruckte, war das freie Gebet der Leiterin. Es war immer mein Wunsch, einmal so beten zu können. Neben der Mädchengruppe gab es auch eine Bubengruppe. Nie werde ich die Friedensglocken vergessen, die am 8. Mai 1945 laut ins ganz Land hinaus das Kriegsende verkündeten. Wir waren damals in der Sekundarschule. Der Französisch-Lehrer war gut. Bei ihm habe ich sehr viel gelernt, was mir später half. Im Juni 1946 kamen meine Zwillingsschwestern, Myrtha und Martha zur Welt. Das war ein Jubel. Wir freuten uns alle. Doch nach drei Wochen starb Myrtha. Welch eine Trauer. Ich kam das erste Mal mit dem Tod in Berührung. Wieso durfte sie nicht weiterleben? Damals kannte man für Frühgeburten noch keine Brutkästen. Martha war natürlich dann der Liebling der Familie.
Der Konfirmandenunterricht war sehr interessant. Wir hatten einen guten Pfarrer und lernten bei ihm viel. Aber es blieben auch Fragen unbeantwortet. Ich war immer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Irgendetwas muss es doch geben. Eine Freundin meiner Mutter sagte oft: „Mit dem Theater kommst du nicht weit.“ Sie betete für uns. Ich wählte den Konfirmandenspruch aus dem Hebräerbrief 13,9: „Es ist ein köstliches Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.“ Es war für mich klar, dass ich nach der Konfirmation ins Welschland gehen würde. In La Neuveville, am Bielersee, ein wenig auf einer Anhöhe, mitten in den Weinbergen, verbrachte ich ein Jahr als Au-Pair-Mädchen. Ich weinte viele Tränen, denn wir sind eine Heimweh-Familie. Es schien, als ob diese Zeit nicht vorbeigehen würde. Ein unvergessliches Erlebnis in diesem Jahr war das Eidgenössische Sängerfest, welches ich mit meinen Eltern in Bern erleben durfte. Im Dezember musste ich wegen Rückenproblemen für drei Wochen in die Kur. Die Arbeit war sehr anstrengend. Und immer noch war ich auf der Suche. Etwas muss es doch geben, das mein Herz ruhig macht.
Das Jahr 1949 war ein wichtiges in meinem Leben. Ich begann die Lehre in einer kleinen Wollstube. In den Sommerferien wurde ich zu einem Jugendlager eingeladen. Ich ging hin, um endlich Frieden im Herzen zu finden. Schon am zweiten Tag durfte ich erkennen, dass es Gott war, der mir im Leben fehlte. Zurück im Alltag musste ich lernen, als Christ zu leben. Bestimmt habe ich viele Fehler gemacht. Ich lernte andere Christen kennen. Zu Viert fragten wir uns, ob wir nicht mit einer Jugendgruppe starten sollten. Für uns war klar, dass wir zuerst mit dem Herr Pfarrer darüber reden sollten. Wir erzählten ihm von unserem Projekt und dass wir uns gerne zusammentun würden mit der „Jungen Kirche“. Der Pfarrer war einverstanden und die Jugendgruppe wurde gegründet. Zusammen mit den Jugendlichen aus der Gemeinde Buchs waren wir eine grosse Schar. Unsere Stärke war das Singen. Oft fuhren wir nach Chur oder nach Walenstadt um in den Spitälern zu singen. Oft kamen auch die Maienfelder dazu. Die Gründung des Jugendhaus Seewis, schweizweit bekannt als Gemeinde,- Familien- und Jugendlagerhaus, ist auf die Impulse von dieser Jugendgruppe zurückzuführen.
Episode 16 - L.G. Die Kriegsjahre, meine Schulzeit und der Bezug zur Kirche